Die „Generationen am Weinhof“ sind das zentrale Thema bei der diesjährigen Ausgabe der „Vinea Tirolensis“, der wichtigsten Verkostung der Freien Weinbauern Südtirol (FWS) im Jahreslauf. Sie findet wiederum im Rahmen der Messe „Hotel“ statt: zwei Tage lang, am 19. und 20. Oktober, bieten Winzer und Sommeliers Einblick in die Breite und Vielfalt ihrer Arbeit und Philosophie – und bringen erstmals auch Gäste aus der Nachbarschaft mit.
Seit mehr als 20 Jahren sind die Freien Weinbauern Südtirols (FWS) als Vereinigung aktiv – und seit einigen Jahren steht in etlichen Mitgliedsbetrieben das Thema „Hofübergabe“ bzw. „Generationenwechsel“ am Tapet. Ein guter Grund, die „Generationen am Weinhof“ bei der diesjährigen Hauptverkostung ins Rampenlicht zu stellen. Bei der „Vinea Tirolensis 2022“ sind gleich mehrere Weinhöfe präsent, die den Generationenwechsel vollzogen haben oder in der Übergabe stehen – hier beispielhaft die unterschiedlichen Geschichten von Anton von Longo Liebenstein (Weingut „Baron Longo“), Jakob Nicolussi-Leck (Weingut „Nicolussi-Leck“), Simon Pliger (Weingut „Kuenhof“) sowie von Magdalena Schuster (Weingut „Befehlhof“).
Magdalena Schuster ist eigentlich schon 2009 definitiv in den elterlichen „Befehlhof“ in Schlanders eingestiegen; ihr Vater Oswald gehörte zu den absoluten Weinpionieren im Vinschgau, als er 1981 das Weingut „Befehlhof“ gründete. Doch der Generationenwechsel ist weiterhin im Gang – seit über 10 Jahren, sagt Magdalena. Wie das funktioniert? Wichtige Entscheidungen im Anbau, im Außenbetrieb und auch was die Brennerei betrifft, treffen die beiden gemeinsam. Der Keller hingegen ist bereits Magdalenas alleiniges Hoheitsgebiet. „Es macht mir Freude, die Weine genau so zu machen, wie ich sie machen will.“ Dass das nicht immer konfliktfrei abgeht, ist klar; allein die Umstellung auf Bio-Anbau vor über 10 Jahren war anfangs eine heiße Diskussion, berichtet sie. Heute sind beide glücklich, dass sich Magdalena damals durchgesetzt hat.
Einen klaren Schnitt dagegen gab es in Neumarkt im Weingut „Baron Longo“. Anton von Longo Liebenstein hat den landwirtschaftlichen Betrieb 2011 in Neumarkt übernommen – und Vater Felix hat die Übergabe auch als solche vollzogen. „Natürlich gab es anfangs manchmal Diskussionen und auch Auseinandersetzungen, weil ich doch einiges vollkommen umgekrempelt habe und dabei auch seine Meinung wissen wollte“, berichtet Anton von Longo Liebenstein von den Anfangsjahren. Unter anderem ging es um die Entscheidung, den Betrieb als eigenständiges Weingut „Baron Longo“ zu etablieren – und dies bei einer Familiengeschichte, in der der Ur-Urgroßvater als Gründungsmitglied der Kellereigenossenschaft Tramin aufscheint. Anton von Longo fragt seinen Vater gern um Rat und erhält ihn auch – und geht dabei konsequent seinen eigenen Weg.
Auch das Weingut „Nicolussi-Leck“ im Überetsch stand mit der Hofübergabe irgendwann vor der Frage, nicht mehr an die Genossenschaft zu liefern. Georg, Vater von Jakob Nicolussi-Leck, war dort nicht nur jahrzehntelang treuer Lieferant, sondern auch 30 Jahre lang Vorstandsmitglied. Ab 2016 war damit dann Schluss: Der damals 26-jährige Jakob übernahm den Hof und kam zur Entscheidung, dass das Potential des traditionellen Weinhofes im eigenständigen Weg besser entfaltet werden könne – auch weil der Hof in geringer Distanz über sehr unterschiedliche Lagen verfügt, die Jakobs Arbeit im Keller besonders spannend macht. Um die Weinberge kümmert sich gern noch Vater Georg, auch wenn die Arbeit dort ebenfalls umgestellt wurde und vermehrt mit ökologischen Methoden erfolgt – in enger Abstimmung zwischen den beiden.
In engster Zusammenarbeit zwischen den Generationen entsteht der Wein von Peter, Brigitte und Simon Pliger am Kuenhof in Brixen. Vater Peter hat den Betrieb 1990 auf Eigenvermarktung umgestellt, vorher lieferte er seine Trauben an die Kellerei Neustift. Er zeigte sich von Anfang an offen für Ideen des Sohnes Simon, der nach einer handwerklichen Ausbildung die Freude am Weinbau entdeckte und sich entsprechend fortbildete – insbesondere in Sachen Kellerarbeit. Der Hof ist noch nicht übergeben, doch Simon übernimmt bereits Verantwortung. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen – was Vater und Sohn dank ähnlicher Denkweisen gut bewältigen. So auch der Schritt für einen Versuch, der in der Corona-Zeit entstand: Neben den Weinen produziert Familie Pliger nun auch Sekt und Dessertweine.
Vinea Tirolensis 2022: 66 Weinbauern, Gastauftritte und eine Weinbibliothek
Die vier Beispiele von Winzerbetrieben im Generationswechsel stehen beispielhaft für viele weitere, die auf der Vinea Tirolensis 2022 ihre Weine präsentieren: Insgesamt 66 Freie Weinbauern aus allen Anbaugebieten sind am Mittwoch, 19. Oktober, zwischen 10 und 17 Uhr anwesend, um ihre Weine vorzustellen, sie zur Verkostung anzubieten und Interessierten Rede und Antwort zu stehen.
Eine besondere Überraschung – und Premiere – ist in diesem Jahr ein Gastspiel aus der Nachbarregion: 15 Winzer der Vignaioli Trentino sind auf der Vinea Tirolensis 2022 zu Gast und präsentieren ihre Weine. Die Vignaioli Trentino sind das Pendant zur Vereinigung der Freien Weinbauern Südtirol im Trentino, auch sie gehen eigene Wege abseits der großen Produzenten und Genossenschaften.
Am Donnerstag, 20. Oktober, öffnet die Weinbibliothek ihre Tore: eine Theke, an der rund 80 verschiedene Weine zur Verkostung stehen – jeweils eine Sorte verschiedener Mitgliedsbetriebe der FWS. Erfahrene Sommeliers und Weinexperten begleiten die Verkostung stehen dem interessierten Publikum mit Wissenswertem und Rat zur Seite. Nach dem Motto „Frag den Winzer/die Winzerin“ sind auch Weinbauern vor Ort, die die Besucher über die Besonderheiten der angebotenen Sorten informieren.
Die Vinea Tirolensis ist wichtiges Rahmenprogramm der Messe „Hotel“ am Bozner Messegelände. Sie ist dort im Gang A03 zu finden. Neben den Weinen steht auch eine Käseauswahl in Zusammenarbeit mit „Degust“ zur Verkostung.
2022 Ausstellerverzeichnis Vinea Tirolensis
2022 Vinea Tirolensis Weinbibliothek